Die Preisträger*innen
Christian Berkel, Bester deutscher Schauspieler
Die Jury war von seiner Darstellung als Helmut Schmidt in dem Entführungsdrama „Mogadischu“ tief beeindruckt. Sehr präzise hatte Christian Berkel den Alt-Bundeskanzler studiert und ihn genauso präzise wiedergegeben. Wer Helmut Schmidt kopiert, landet im Kabarett, sagte Berkel über die Schwierigkeit dieser Rolle. Mit Persiflage hatte die nun gar nichts zu tun. Was Berkel in „Mogadischu“ vollbringt, ist eine handwerkliche Meisterleistung, die ganz oben rangiert in der filmischen Darstellung historischer Personen. Doch dieses Lob allein würde dem Schauspieler nicht gerecht werden. Berkel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Schwergewicht seiner Zunft entwickelt. Die Nominierung für DIE GOLDENE KAMERA als bester Schauspieler bereits 2007 zeigt, dass man immer mit ihm rechnen muss. Berkel steht für Kontinuität. Auch, was sein Publikum angeht. Immer häufiger für internationale Produktionen gebucht, ist Berkel keiner, der Oberwasser bekommt, seine Sachen packt und nach Amerika geht. Er weiß, wo er hingehört. Seine Einsätze als Kriminalist im ZDF zeugen davon. Christian Berkel konnte sich gegen erstklassige Kollegen durchsetzen, gegen Mehmet Kurtulus und Klaus J. Behrendt. Die Jury beurteilte Berkels Leistung diesmal als zwingender.
Daniel Craig, Bester Schauspieler International
Daniel Craig ist zurzeit der Inbegriff des körperbetonten Spiels. In der Tradition eines Charlie Chaplin und eines Buster Keaton war es ihm immer wichtig, seine eigene Physis einzusetzen und die anstrengenden Szenen, die ein Schauspieler zu leisten hat, keinem Double zu überlassen. Das wirkt sich beträchtlich auf seine Rollen aus, die gekennzeichnet sind durch einen hohen Grad an Authentizität. Beweise dessen sind sein jüngster „Bond“-Auftritt sowie sein Einsatz in dem Weltkriegsdrama „Defiance“. Aber Craig wäre kein großer Künstler, wenn er es allein bei diesem Prinzip beließe. Er ist ein Meister der Extreme – von ganz laut bis ganz leise. Sein Film „Enduring Love“ zeigte wohl am besten, zu welch filigranen, emotional-sensiblen Darstellungen er in der Lage ist. Craig zelebriert den Unverwüstlichen genauso wie den Zerbrechlichen.
Olli Dittrich, Beste Unterhaltung
Olli Dittrich ist ein brillanter Comedian – das wussten wir gleich, als wir ihn 1993 ins Team von „RTL Samstag Nacht holten“. Was damals keiner ahnen konnte: Der Mann ist nicht nur brillant, er ist genial. Er prägte unserer Sendung seinen Stempel auf. Als Darsteller, als Autor und als Musiker. Und nach „RTL Samstag Nacht“ machte er einfach so weiter und wurde dabei immer besser. Als Schauspieler glänzte er unter anderem in der Rolle des Redakteurs Wollner in Helmut Dietls Film „Late Show“; im Film „Frau Rettich, die Czerni und ich“ spielte er an der Seite von Martina Gedeck und Iris Berben; und seine Glanzrolle hatte er als Joseph Goebbels in Jo Baiers Film „Stauffenberg“.
Als Autor und Darsteller begann er bei „RTL Samstag Nacht“ zusammen mit Wigald Boning in der Serie „Zwei Stühle, eine Meinung“ und steigerte sich beim ZDF in Olli, Tiere, Sensationen, dann überraschte er uns an der Seite von Anke Engelke in seiner Improvisations-Show „Blind Date“. Der Musiker Olli Dittrich bescherte uns mit „Wigald Boning“ intelligenten Schwachsinn als Duo „Die Doofen“, nahm mit „Texas Lightning“ beim Eurovision Song Contest 2006 teil und veröffentlichte gerade seine glanzvolle, selbst komponierte und getextete CD „11 Richtige“.
In den Anfängen von „RTL Samstag Nacht“ schlug er uns eine Figur namens Dittsche vor. Wir fanden sie gar nicht gut. Was für ein Fehler! Der WDR war klüger als wir und strahlt die Serie seit 2004 mit großem Erfolg aus. Noch klüger war Loriot. Er ernannte Olli Dittrich 2008 zu seinem legitimen Nachfolger. Mein Freund Olli Dittrich hat schon zahlreiche Preise abgeräumt – einige sogar mehrfach. Nur ein Preis blieb ihm bisher versagt: DIE GOLDENE KAMERA von HÖRZU. Jetzt hat er sie. Olli, ich freue mich über diese hohe Auszeichnung. Du hast sie mehr als verdient! Dein Hugo Egon Balder
„Dr. House“ (RTL), Beste US-Serie (Leserwahl)
Der Sieger in der Kategorie Leserwahl steht für den Generationenwechsel im Segment der Arztserien. Konnte vor 20 Jahren ein loyaler Professor Brinkmann in der „Schwarzwaldklinik“ die Massen begeistern, tut dies heute ein meist schlecht gelaunter, aber eben genialer Misanthrop namens „Dr. House“ auf RTL. Der Publikumserfolg ist Indiz dafür, dass den Zuschauern über mutige Drehbücher und innovative Charaktere sehr wohl viel mehr zugemutet und zugetraut werden kann als viele Fernsehmacher behaupten.
Clint Eastwood, Lebenswerk International
Clint Eastwood ist der vollendete Filmemacher. Seit über fünf Jahrzehnten bereichert er das Kino als Schauspieler, Regisseur und Produzent. Und das regelmäßig. Clint Eastwood ist immer da. Und was immer er anfasst, er bürgt für hohe künstlerische Qualität. Er ist ohne Frage einer der vielseitigsten Schauspieler und einer der produktivsten und wandlungsfähigsten Regisseure, die das Filmgeschäft jemals erlebt hat. 66 Filme als Schauspieler. 33 Filme als Regisseur. Es gibt kein Genre, das Eastwood ausgelassen hätte. Er macht Filme für die Jungen wie für die Alten, für Männer wie für Frauen, für jene, die Action wollen, wie für jene, die Gefühle mögen. Clint Eastwood ist kein Sparten-Künstler. Er liebt immer das ganze Publikum.
Seine Karriere begann 1955, als er in einem Monster-Film als namenloser Mime auftauchte. Eastwood musste 41 werden, ehe er 1971 durch „Dirty Harry“ den Superstar-Status erlangte. Mit der Rolle etablierte Eastwood die Paradefigur des harten und unkonventionellen Ermittlers. Harry Callahan wurde zur unsterblichen Kultgestalt. Eastwood begnügte sich nicht damit. Auch durch Auszeichnungen ließ er sich nicht einschläfern. Er fing an, sich einzumischen, aus der Abhängigkeit als Schauspieler auszubrechen und selber Filme zu initiieren. Stoffe, die aneckten. Stoffe, die keiner auf der Rechnung hatte. Stoffe, deren Helden oft von ganz unten kamen, aus dem Arbeitermilieu. So wie er selbst.
In seinem Streben nach Niveau und Anspruch stieß er immer wieder auf die profitorientierten Zweifler der Filmstudios. Genauso verlässlich setzte er deren Bedenken große künstlerische wie kommerzielle Erfolge entgegen. Die Bosse mussten sich ein ums andere Mal eines Besseren belehren lassen. Dabei waren die Budgets seiner Filme nie unanständig groß. Dreistellige Millionensummen verschlangen Eastwoods Werke nie. Sein Slogan könnte lauten: Der Star ist die Story! Eine Story – das lag ihm immer am Herzen –, die nicht schon hundertmal erzählt wurde.
Clint Eastwood hat die Filmkunst nachhaltig beeinflusst. Dafür gebührt ihm DIE GOLDENE KAMERA von HÖRZU für das Lebenswerk.
Ich + Ich, Beste Musik National
Ich + Ich bilden das außergewöhnlichste Pop-Projekt der letzten Jahre. Das Duo ist eine musikalische Liaison aus einem jungen Underdog, der in einer Boygroup groß wurde, und einer Stil-Ikone der 80er-Jahre. Sänger Adel Tawil steht bei Konzerten meist allein auf der Bühne, während Sängerin, Produzentin und Songschreiberin Annette Humpe vor lauter Lampenfieber lieber hinter dem Vorhang wartet. Mindestens so besonders ist ihre Musik: Mit ihren melancholischen, gefühlsbetonten Texten, die in behutsamen R ‘n’ B und sanften Pop gebettet sind, treffen sie den Nerv der Zeit. Tawil und Humpe bedienen Sehnsüchte und singen gleichzeitig an gegen gesellschaftliche Disharmonien. Ihr Album „Vom selben Stern“ landete 2008 auf Platz 1 der Charts. Trotz des großen Erfolgs ließ sich das Duo seine Kanten nicht von der Marketing-Maschinerie glatt schleifen. Ich + Ich nimmt das Publikum mit auf die Suche nach dem Glück und erreicht zurzeit wie keine andere Band ganze Generationen.
Paula Kalenberg, Lilli-Palmer-und-Curd-Jürgens-Gedächtniskamera (HÖRZU Nachwuchspreis)
Eigentlich reicht eine einzige Arbeitsprobe, um Paula Kalenberg auf den Olymp des Schauspiels zu berufen. Die Schiller-Verfilmung „Kabale und Liebe“ beispielsweise, in der sie bereits 2005 mit unnachahmlichem Liebreiz und Hingabe für Sprache begeisterte. Das Atomkraft-Drama „Die Wolke“, in dem sie 2006 an ihre psychischen und körperlichen Grenzen ging. Oder das Fantasy-Abenteuer „Krabat“, in dem sie das Kinopublikum 2008 mit ihrer Verwandlungskunst verzauberte. Paula Kalenberg ist gerade mal 22 Jahre alt und gehört schon jetzt zu den Qualitätsgaranten im deutschen Film. Wo Kalenberg draufsteht, das kann nicht schlecht sein. Sie selbst bildet sich auf ihren Erfolg nichts ein, übt sich gern in persönlichem Understatement – und strickt am Drehort. Kollegen bezeichnen sie als Naturtalent, sie sich als Glückskind. Wir sagen: Sie ist ein Glücksfall. Paula Kalenberg wird die Zukunft von Kino und Fernsehen mitbestimmen.
Anja Kling, Beste deutsche Schauspielerin
Liebe Anja, ganz herzlichen Glückwunsch zur GOLDENEN KAMERA von HÖRZU. Ich hatte dieses Jahr die Ehre, der Jury beizusitzen, und habe ganz doll mit den Armen gewunken, als über Deine schauspielerische Leistung in „Wir sind das Volk“ gesprochen wurde. Deine realistische, bodenständige Art in Verbindung mit dem Glanz einer Hollywood-Prinzessin ist einfach schön. Das klingt ein bisschen kitschig, macht aber nichts, da ich es wirklich so empfinde. Wann immer man Dir zuschaut – Du faszinierst. Eine, wie ich finde, seltene Gabe in unserem Beruf (Hans Albers hatte das auch!). Ich bin gespannt auf alle weiteren Arbeiten von Dir und hoffe, auch wir stehen irgendwann mal wieder gemeinsam vor der Kamera. Du bist eine tolle Kollegin. Auf bald, Dein Ben
von Jury-Mitglied Ben Becker
Udo Lindenberg, Lebenswerk Musik National
„Der Astronaut muss los, der Astronaut muss weiter …“, eine Ballade zum Niederknien, gehalten in sentimentalem Es-Dur. Allein nach diesem Song konnte es für die Jury keine Fragen mehr geben. Udo Lindenberg hat 2008 mit „Stark wie Zwei“ einen Meilenstein in der deutschen Rockmusik gesetzt. Sein 41. Album ist kompositorisch wie poetisch Lindenbergs großes Alterswerk. Mit ihm erreichte er erstmals den ersten Platz der Charts. Mit ihm schuf er unvergessliche Momente bei seinen ausverkauften Live-Konzerten. Mit ihm krönte er eine Karriere, die immer auch musikalischer Seismograf bundesrepublikanischer Befindlichkeiten war sowie in einer einzigartigen Kunstsprache Lindenbergs Seelenlagen spiegelte. Seine Lieder sind wie treue Wegbegleiter, die von Heimat künden. Seine neuen Lieder bilden das selbstreflexive, tief beeindruckende Comeback eines Künstlers, der unter Beweis stellt, dass immer und überall mit ihm zu rechnen ist. „Oder verbrennt mein Raumschiff im Feuerball?“, heißt es weiter in der Ballade. Nein, Udo Lindenberg, das tut es hoffentlich noch lange nicht.
„Maybrit Illner“ (ARD), Beste Information
Bevor sie sich mit Haut und Haar dem Polittalk im Fernsehen verschrieb, kickte die kleine Maybrit am liebsten Fußbälle gegen die Wand. Später stand sie voller Leidenschaft mit dem Mikrofon auf dem Sportplatz. All dies könnte der Grund sein, warum die Talks bei „Maybrit Illner“ stets so durch und durch zielorientiert und fair verlaufen. Jeder kommt zu Wort. Aber wer zu lange redet, wird freundlich gestoppt. Wenn gar ein Gast nicht präzise auf die Frage der Moderatorin antwortet, wandert der Zeigefinger unnachahmlich in seine Richtung und fordert vehement die Antwort ein.
Dabei bleibt Maybrit Illner stets höflich, offen und eine gute Zuhörerin. Sie ist faktensicher und blendend vorbereitet. Wer sich für die Bundesrepublik interessiert, muss am Donnerstag bei ihr reinsehen. Dass ihre Talk-Sendung zudem unterhaltend ist, liegt vor allem an der Auswahl der Gäste. Dabei immer nah an den Menschen, um die es geht: Ein chinesischer Gast berichtet, wie es sich lebt mit den Löhnen in seinem Land, eine Betroffene erzählt vom Pflegenotstand in einem Heim, und die Juso-Vorsitzende diskutiert mit Hans-Jochen Vogel den Zustand der SPD.
Wohltuend die freundliche Zuwendung der Moderatorin den Gästen gegenüber – aber sichtbar, spürbar auch stets die professionelle Distanz. Darum: DIE GOLDENE KAMERA von HÖRZU 2009 für den besten Polittalk der Republik an Maybrit Illner.
„Mogadischu“ (ARD), Bester deutscher Fernsehfilm
„Mogadischu“ war ein existenzielles Ereignis, nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern für die ganze Bundesrepublik. Der Spannungsbogen zwischen den Ereignissen in der Lufthansa-Maschine und den politischen Auswirkungen wird auf feinfühlige, differenzierte Weise dargestellt. Drehbuch, Regie und Darsteller haben in idealer Weise dazu beigetragen, das TV-Ereignis des Jahres zu schaffen. Neben der vordergründigen Spannung, die hervorragend transportiert wird, sind es vor allem die Grundsatzfragen, die den Zuschauer packen. Die Dramatik der Entscheidungsfindung in einer politischen Extremsituation wird in nachvollziehbarer, glaubwürdiger Weise präsentiert. Damit ist der Film nicht nur ein spannendes Stück Fernsehen, sondern auch eine Lehrstunde in Sachen Demokratie.
Meryl Streep, Beste Schauspielerin International
In der Arbeit von Meryl Streep geht es vor allem um Mitgefühl. Um das Mitgefühl, das sie beim Publikum wecken möchte für die Charaktere, die sie spielt – und deren Abgründe. Diese Kunst beherrscht Meryl Streep in Vollendung: aktuell zu beobachten in dem Kammerspiel Glaubensfrage. Einzigartig ist am Geschichtenerzählen der Künstlerin Streep auch die Bandbreite ihrer Figuren – von der Tragödie Sophies Entscheidung bis zu dem heiteren Musical „Mamma Mia!“. Verschwenderisch öffnet sie die Kammern ihrer Seele und erweckt den Eindruck, darin sei immer noch Platz für mehr. Seit über drei Jahrzehnten im Geschäft, schafft es Meryl Streep regelmäßig zu überraschen, zu verblüffen. Hatte man gedacht, das Potenzial der Schauspielerin Meryl Streep zu kennen, kommt sie im nächsten Film mit einem weiteren, völlig neuen Gesicht um die Ecke. Das macht sie in der Branche einzigartig.
Zahlen & Fakten
Ort/Räumlichkeit: Konferenzraum Ullstein der Axel Springer AG, 19. OG
Begrüßung: Jochen Beckmann (Verlagsgeschäftsführer Programmzeitschriften Axel Springer AG)
Moderation: Frank Elstner
Anzahl der Gäste/Zuschauer: Veranstaltungspause
Leserwahl: Die beste US-Serie
Fernsehübertragung: Keine
Besonderheiten: Die Axel Springer AG hat eine Pause aller Feste und Empfänge für 2009 beschlossen. Davon betroffen war auch die glanzvolle Gala der 44. GOLDENEN KAMERA von HÖRZU. Den Preisträger*innenn in insgesamt zwölf Kategorien wurde die GOLDENE KAMERA im Rahmen einer Pressekonferenz überreicht.